Veranstaltung

Wer prozessiert wann, warum, gegen wen? Konfliktlösung und Schlichtung im deutsch-japanischen Vergleich

Naoko Matsumoto (Tokio)

19:00-21:00
Berliner Seminar Recht im Kontext
Wissenschaftskolleg zu Berlin, Villa Jaffé
Wallotstraße 10, 14193 Berlin


Audioaufnahme der Veranstaltung


Die Justizgeschichte Deutschlands und Japans im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wird heute in erster Linie mit der Entstehung von Gerichtssystemen mit hierarchisch gestuftem Instanzenzug verbunden – jeweils als Folge der deutschen Reichsgründung im Jahr 1871 und der Meiji-Restauration Japans 1868. Eine andere Gemeinsamkeit der Justizgeschichte beider Länder, die Ausdifferenzierung außergerichtlicher Konfliktlösungsmittel, ist dagegen von der Forschung bislang weitgehend unbeachtet geblieben. Tatsächlich wurden aber in Deutschland nicht nur die beiden Prozessordnungen und das Gerichtsverfassungsgesetz erlassen, sondern insbesondere auch außergerichtliche, gemeindliche oder private Konfliktlösungsmittel eingerichtet. Seit 1879 stellten manche deutsche Länder ehrenamtliche Nichtjuristen zur lokalen Schlichtung ein, sogenannte „Schiedsmänner“. Dabei verhandelten preußische Schiedsmänner bis in die 1920er Jahre jährlich bis zu 200.000 Fälle. Auch in Japan wurde 1875 – nach dem französischem Modell des juge de paix – ein Schlichtungsorgan namens Kankai eingeführt. Es nahm im Jahr 1883 über eine Million Schiedsanträge an. Im Mittelpunkt des Vortrages stehen zum einen die institutionellen Unterschiede zwischen dem Schiedsmannswesen und Kankai, zum anderen die Beantwortung der Frage entlang konkreter Fälle, wer das jeweilige Schlichtungsorgan wann, warum, gegen wen nutzt.
 

Naoko Matsumoto ist Professorin für deutsche Rechtsgeschichte an der Universität Sophia in Tokio (Japan). Nach dem Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Hitotsubashi in Tokio erwarb sie mit der Dissertation „Polizeibegriff im Umbruch: Staatszwecklehre und Gewaltenteilungs­praxis in der Reichs- und Rheinbundpublizistik“ den Doktorgrad der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Nach Lehrtätigkeiten an der Universität Hokkaido folgte sie 2002 dem Ruf an die Universität Sophia, an der sie bis heute den Lehrstuhl bekleidet. Im akademischen Jahr 2015/16 ist Naoko Matsumoto Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin.